Montag, 15. September 2014

15.9: Der Waffenstillstand und das Chaos

Offiziell ist ja nun schon seit über einer Woche die Situation im Donbass friedlich, der in Minsk vereinbarte Waffenstillstand scheint zu halten. Grob und offiziell betrachtet zumindest, denn es gibt weiterhin Gefechte, und beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Waffenruhe zu brechen, und das praktisch jeden Tag.
 
Bei den Rebellen nimmt man es mit Galgenhumor, das liest sich in etwa so:
"Gestern gab es einen heftigen Waffenstillstand in der Gegend von ..." oder "Intensive Friedensbemühungen von Seiten der Strafkorps in der Nähe der Stadt ..."
Die Kiever Seite hingegen berichtet hauptsächlich von Angriffen der Rebellen auf den Flughafen von Donezk.

Trotzdem: Offiziell hält die Waffenruhe.

Und laut Poroshenko sind vor Tagen schon über 70% der russischen Truppen abgezogen.

Die, die an eine direkte Beteiligung russischer Truppen, welche auf direkten Befehl aus dem Kreml handeln - also, die die daran glaubten, sehen sich von solchen Meldungen bestätigt, und die, die nicht daran glaubten, halten es wieder bloß für eine Phantommeldung.
     
Aber, was für ein Phantom: Die Russen sind abgezogen!
     
Das heißt letzten Endes, dass wenn nun der Krieg weitergeht (was die Meisten erwarten), das Bild, es sei ein unerklärter Krieg zwischen UA und RU, nicht mehr in der bisherigen Form aufrechtzuerhalten ist. Vielleicht gar überhaupt nicht mehr.
     
Hinzu kommt, dass die Russische Föderation darauf besteht, bei der Minsker Vereinbahrung lediglich Vermittlerin gewesen zu sein, es sich also um ein Abkommen zwischen Kiev und den Rebellen handelt. Kiev redet also mit den "Terroristen", was viele als eine Form von Anerkennung interpretieren - die Einen freut's, die Anderen warnen davor, und wieder andere sprechen von Verrat an der Sache, auf beiden Seiten...
    
Dieser Minsker Waffenstillstand ist wohl als Erfolg der russischen Diplomatie zu werten (mal ganz unabhängig davon, dass die eigentlichen Gewinner die Menschen in den umkämpften Gebieten sind!). Und dass die EU trotzdem Sanktionen beschlossen hat, ist irgendwie absurd: Es gibt Frieden, auf Initiative der RF, und der Westen bestraft Russland trotzdem...
     
Und während die RF ihren zweiten Hilfskonvoi ins Land gebracht hat
http://rt.com/news/187460-russian-aid-convoy-ukraine/
berichten ukrainische Medien davon, dass mehrere NATO-Staaten Waffen an die Ukraine liefern würden. Außerdem läuft im Westen des Landes seit heute ein zweiwöchiges gemeinsames Manöver von NATO und ukrainischer Armee
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-09/ukraine-donezk-gefechte
     
Egal, wie unsere Medien dazu schreiben - es geht um die Ukraine. Und die Signale aus Russland kommen dort durchaus an, und beeinflussen die Kräfteverhältnisse im Land. Das ist nicht zu unterschätzen...
    
Auch wenn Kiev von "Unterstützung" und "Hilfe" von Seiten der NATO spricht, und die Medien entsprechend berichten: viele erkennen dennoch eine Spirale der Eskalation, auch in der Ukraine steht der Westen immer mehr als Aggressor dar, und nicht Russland.
    
Dass erkennt man auch daran, dass Jazenjuk (wo mittlerweile jede/r wissen müsste, dass er Washingtons Mann ist) immer häufiger mit Poroshenko in "Konflikt" gerät (nicht offen, aber beide senden durchaus unterschiedliche Signale, und Jazenjuk korrigiert sich dann jedes Mal, wenn er "vorgeprescht" ist, dass er und der Präsident selbstverständlich einer Meinung sind...).
     
Auch kommt seine Forderung, eine Mauer zu Russland zu errichten, noch lange nicht bei allen gut an - zumindest finden die Kharkover den Enthusiasmus ihrer Landsleute, die schon an der Grenze zu RU mit dem Buddeln eines Grabens angefangen haben, gar nicht gut...
http://www.057.ua/news/618078
- bbK: "Herr, gib diesen Idioten ein Hirn" (übrigens mit Video, schaut's euch an, damit ihr einen Eindruck davon kriegt, was das für Leute sind, die da buddeln...)
     
Ebenso wird die neue Partei "Volksfront", deren Vorsitzender Jazenjuk nun ist, den meisten Ukrainer_innen zu krass sein...
http://en.wikipedia.org/wiki/People%27s_Front_%28Ukraine%29
- das sage ich! Es gibt noch keine Prognosen, Jazenjuk wurde erst vor ein paar Tagen zum Vorsitzenden gewählt...
     
Rechts von Poroshenko hat die UA nun drei Parteien: Swoboda (Tyagnibok), Volksfront (Jazenjuk), und die Radikale Partei (Lyashko). Meine Schätzung ist, dass diese drei zusammen höchstens 15-20% der Wählerschaft erreichen können...
     
     
     
Lyashko's Leute haben übrigens in Kiev ein vermeintlich illegales Kasino hochgehen lassen wollen, und wurden von Nationalgardisten mit Schusswaffen angegriffen. Diese rasten mit einem PKW an Lyashko's Kämpfern vorbei und schossen - wie im Film! Es handelte sich wahrscheinlich um Gummigeschosse, denn es gibt keine Toten und nur "traumatisch" Verletzte. Die Angegriffenen waren wie es aussieht unbewaffnet, stürmten auf die Angreifer, und es kam zu einer heftigen Schlägerei!
http://korrespondent.net/kyiv/3417576-v-kyeve-proyzoshla-draka-y-perestrelka-mezhdu-radykalamy-liashko-y-boitsamy-natshvardyy-smy
- die Nats-Gardisten sagen, das Gebäude stände unter ihrem Schutz und man hätte sie gerufen, weil jemand das Gebäude angegriffen habe...
     
Das, liebe Leute, ist die Ukraine: ein Land im Chaos...
    
Immer wieder gibt es Berichte von solch "spektakulären" Aktionen von "Aktivisten", die gegen Kasinos, Drogen, oder sonstige unmoralische Sachen eigenmächtig handeln.
Rechts seht ihr die Protagonisten einer solchen Aktion in Odessa vorgestern, wo Unbekannte eine Wohnung zu stürmen versuchten, weil dort mit Drogen gehandelt würde.
     
Die Aktivisten schlugen vor dem Haus einen angeblichen Dealer brutal zusammen, kamen aber nicht auf Anhieb in die Wohnung, so dass relativ schnell Journalisten, Schaulustige und die Polizei hinzukamen. Nach längerer Diskussion überzeugten die Aktivisten schließlich die Polizisten, dass sie auf der selben Seite stünden, so dass die Polizei letztlich die Wohnung aufbrach und die eine Person, die sich dort aufhielt, festnahm.
http://timer.od.ua/news/v_tsentre_odessi_shturmuyut_ofis_govoryat_tam_torguyut_narkotikami_547.html
- mit Fotos und nem Video (Drogen wurden keine gefunden...)
    
Die Aktivisten gaben sich übrigens gegenüber dem Timer-Korrespondenten als Mitglieder der Organisation "Nasledie" (Erbe) zu erkennen, welche für ein "nüchternes Leben" kämpft...
      
Nochmal Kharkov, da gab es vor einer Woche genau einen Anschlag auf einen Güterzug, vier Waggons mit Kerosin gingen in Flammen auf, angeblich haben sich "Partisanen" dazu bekannt...
korrespondent.net/ukraine/events/3418245-v-kharkove-horely-tsysterny-s-reaktyvnym-toplyvom
http://obozrevatel.com/crime/29504-v-harkove-na-zheleznodorozhnoj-stantsii-sgoreli-4-tsisternyi-s-reaktivnyim-toplivom.htm
     
Es wird sich jedoch nicht um diese Art "Partisanen" gehandelt haben...
http://www.057.ua/news/613870
Das Bataillon Azov (und andere) zeigt Kharkover Bürgern den Umgang mit Waffen, um sie zum "Partisanenkampf" gegen die erwartete russische Okkupation vorzubereiten - und nimmt auch Spenden und Freiwillige für die ATO an.
- der bbK spricht die "offensichtlichen" Pläne der NATO an, sich der Ukraine zu bedienen um Russland anzugreifen.
     
     
     
Dieses zuvor angesprochene Chaos setzt sich übrigens fort an der Front. So haben Kämpfer vom Bataillon "Cherkassy" praktisch geschlossen ihren Einsatzbefehl verweigert, und ein paar Tage zuvor hat das Bataillon "Transkarpatien" die Zone der ATO auf Eigeninitiative verlassen - und ist samt Bewaffnung (inklusive Technik!) nach Hause gefahren...
http://korrespondent.net/ukraine/events/3416923-batalon-cherkassy-pochty-polnym-sostavom-otkazalsia-voevat-smy
http://korrespondent.net/ukraine/politics/3411374-batalon-prykarpate-samovolno-pokynul-zonu-ato-s-oruzhyem-smy
- zur Erinnerung: Besonders in Transkarpatien gab es große Proteste gegen die Mobilisierungen.
     
Von einigen wird schon die Hoffnung/Befürchtung/Verdacht geäußert, dass die derzeitigen Truppen-Umgruppierungen auf der Seite der Ukrainer sich nicht nur gegen die Rebellen sondern auch gegen die verschiedenen Bataillone richten... Hier mal ein Einblick, welche Bataillone es so gibt:
http://www.kyivpost.com/content/ukraine/know-your-volunteer-battalions-infographic-363944.html
    
Aufgefallen ist mir zudem, dass sich seit wenigen Tagen die offizielle Karte mit der Darstellung der Rebellen deckt (bis auf den Keil im Norden, der ist bei den Rebellen viel schmaler und ansonsten ein "Bauch" mit eingekesselten Soldaten). Der Vorstoß von Ende August nach Süden ist jetzt eingezeichnet:



Das war bis vor Kurzem (10.9.) anders: Der Vorstoß auf Mariupol stand in keiner Beziehung zu den Rebellen, sondern war als Vorstoß direkt von russischem Gebiet aus eingezeichnet:


- es sind also seit dem 11.9. auch offiziell die Rebellen, die nach Süden, in Richtung Mariupol vorgestoßen sind! (Wobei ich den Eindruck habe, dass das als "Beleg" für den Bruch der Waffenruhe genutzt wird...)
    


Ich hatte übrigens weit mehr geschrieben, über Perspektiven und Szenarien spekuliert, Videos verlinkt, die bestimmte Interpretationen nahe legen, und auch die verschiedenen Meinungen zu der Waffenruhe ein wenig näher beschrieben - aber ich war sehr unzufriegen mit dem von mir Formulierten, ich will das besser machen... Wird in Kürze nachgeholt!

Zur Entschädigung, mal wieder: Musik. Ein aktueller Hit des RuNet (300.000 Klicks in einer Woche...)


Dafür müsst ihr angemeldet sein (Version ab 18), hier die zensierte Version, für alle:
https://www.youtube.com/watch?v=mDoic3l8_HM
- "Wir haben alle den Verstand verloren" ist der Titel, eine Neuinterpretation eines Hits der Band "Kino"

    
    

Donnerstag, 4. September 2014

4.9: Bella Ciao, Schule, Cherno- und Novorossia

Heut nicht so viel Aktuelles, war im Urlaub und muss erst wieder reinkommen...
Aber vorab: Danke für die Nachfragen, ich war ganz erstaunt, dass so viele meine Einträge vermisst haben :) und ein großes SORRY dafür, dass ich meinen Urlaub nicht angekündigt hab... nächstes Mal denk ich dran.

Als Entschädigung, hier was für's Herz: "Bella Ciao" auf "Neurussisch", von Tatiana Grig https://vk.com/tatyana_grig


Das ist eine Neuinterpretation mit einem auf Novorossiya adaptierten Text, gibt's auch von Svetlana Akhmatova:


und Jelena Safronova (akapella) https://www.youtube.com/watch?v=hXJo2V2At6A

Der uploader myfriendru hat die anscheinend selbst produziert (?) und an den Anfang seiner Playlist mit insgesamt 32 Versionen in verschiedenen Sprachen gesetzt (abgesehen von den ersten paar, klassische Version):
https://www.youtube.com/playlist?list=PLsrdjcuLhbs5Acrj4ymbWSrgzPJ_oPVGA

Die russische Band Voron Kutkha aus Tula wurde laut Selbstaussage von Freunden, die nun in Novorossia kämpfen, um einen Song gebeten, welchen sie singen können, wenn sie in die Schlacht ziehen. Sie empfahlen ihnen Bella Ciao, und schrieben den Text extra für sie um. (Fängt Italienisch an, ab 01:30 auf Russisch)


Gibt natürlich auch eine "ukrainische" Version, aus der Zeit des Maidan: "Vitya Ciao". Vitya meint Viktor, Janukowitsch Viktor. (engl. Untertitel)



Populär geworden ist das Lied in der CCCP 1963 durch Muslim Magomayev, der es auf Italienisch und Russisch sang:


Und bis heute wird es bei verschiedenen, dem antifaschistischen Kampf im Zweiten Weltkrieg gewidmeten Veranstaltungen aufgeführt. Hier 2009, Tag des Sieges:


Als Entschädigung für diese letzte, eher schlechte Interpretation :) hier ein Tanz russischer Eiskunstläufer zu der Musik von Bella Ciao:




Beim Standbild des ersten Videos ist ja Strelkov zu sehen, und da fiel mir was ein:
- es ist ja viel spekuliert worden, warum er sich so plötzlich zurückgezogen hat, die einen meinten, er sei verwundet, andere, er sei tot, "offiziell" hieß es, er habe eine "neue Aufgabe im Auftrag Neurusslands" zu erfüllen...
Angeblich wurde er kurz darauf in Ferguson gesehen, irgendwer meinte, er solle nun wohl im Auftrage Putins die USA von innen destabilisieren...



Kurze Zeit später tauchten dann immer mehr Bilder zu dieser anscheinend erfolgreichen Agitation Strelkovs auf:


SCHWARZRUSSLAND - UNSERE WAHL
Ferguson. August 2014. Demonstranten fordern ein Referendum.


OBAMA, GET OUT!

Mittlerweile ist es aber wieder ruhig geworden. Weiß nicht, was passiert ist, war im Urlaub...



ODESSA

Nun ja, Ferien sind um, nicht nur für mich, Schule hat ja auch wieder angefangen. Und die Beraterin des Gouverneurs der Oblast von Odessa, Zoya Kazanzhy, hat der Schulanfang anscheinend in eine Krise gestürzt: sie hat ihre Verzweiflung, und auch ihren Ärger, über das offensichtliche "Erstarken der Vatniks in Odessa" Luft gemacht - ihr Post hat in der Ukraine die Runde gemacht ...
http://timer.od.ua/news/sovetnik_gubernatora_vozmuschena_zasil_em_vatnikov_v_odesskih_shkolah_779.html

"Was soll ich meinem 14-jährigen Sohn sagen, der mir erzählt, dass in seiner Klasse nur er und noch einer "für die Ukraine" sind, alle anderen "lieben Russland"?"
- außerdem bemängelt sie den fehlenden Patriotismus der Lehrkräfte...

Am 2. September gab es eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Gewerkschaftshauses (Fotos und Video)
http://timer.od.ua/news/chetire_mesyatsa_posle_tragedii_na_kulikovom_pole_sobralsya_miting_222.html

Dazu gibt es immer mal wieder kurze Nachrichten, aber nichts wirklich Neues und/oder Erhellendes... Lediglich Mittleilungen, dass dies eingereicht wurde, jenes passieren soll, folgendes gesagt wurde, usw...
Die Komission der Oblast Odessa, beauftragt mit der Aufklärung der Ereignisse des 2. Mai (nicht die Journalisten-Kommission! die Rede ist von der Kommission von Abgeordneten des Regionalparlaments) hat heute ihre Selbstauflösung bekannt gegeben. Der Kopf der Kommission begründete dies damit, dass die Mehrheit der Kommissionsmitgliedern unzufrieden ist mit Staatsanwaltschaft und Innenministerium, deren Ermittlungen, und auch die Art, wie diese beiden Organe die Öffentlichkeit über ihre Ermittlungen informieren. Man sähe derzeit keinen Sinn darin, die Arbeit fortzusetzen, da man keinerlei Einfluss und Kontrollmöglichkeiten hat.
http://timer.od.ua/news/deputatskaya_komissiya_2_maya_prekratila_rabotu_310.html



NOVOROSSIA

Ach ja, die Serben... scheint als wären sie an Novorossiya schuld...
http://timer.od.ua/statji/serbskaya_prelyudiya_balkanskaya_kolonizatsiya_zemel_severnogo_prichernomor_ya_nakanune_sozdaniya_novorossii_472.html
Das ist ein längerer Artikel über die Rolle der ersten Kolonisatoren der damals relativ schwach besiedelten Steppe zwischen der historischen Ukraine und dem Schwarzen Meer: Serben.

Ab 1752 schuf Kaiserin Elizaveta zwei Regionen: zunächst "Neu-Serbien", gegen die im Norden liegende "Rzeczpospolita Polska". Die lokale Bevölkerung wurde um-, und serbische Wehrbauern angesiedelt. (Schon Petar I hat die in Polen und im Habsburger Reich als Husaren bekannte Halbinfanterie übernommen und sich dabei in erster Linie auf Serben gestützt, die auch in dem als "Krajina" bekannten Grenzgebiet zwischen Osmanischem und Habsburger Reich von beiden Seiten zum Einsatz kamen. Die Ansiedlung von Serben war Folge der "Großen Migration der Serben nach Russland", nach der Auflösung der Militärgrenze in der heutigen Vojvodina, die neuen Siedlungen wurden mehrheitlich nach dortigen Orten benannt.)

Diese Neuansiedlung führte zu Konflikten mit den lokalen Kosaken, welche dieses Territorium als Ihres betrachteten, daher wurde das kurz darauf gegründete "Slavo-Serbien" im Osten ohne Umsiedlungen mit Wehrbauern besiedelt, und war entsprechend durchmischter (wobei anzumerken ist, dass die "Serben" sowieso wahrscheinlich mehrheitlich Vlachen waren, die aber wegen ihrer Zugehörigkeit zur Serbisch Orthodoxen Kirche als Serben galten).


Beide Territorien gab es bis 1764, als sie von Katharina II in Folge ihrer Eroberung des Steppenlandes ins neu geschaffene Neurussland integriert wurden, dessen Schaffung sich an den Erfahrungen und am Beispiel der beiden serbischen Kolonien orientierte.
Hier zwei Karten des historischen Novorossiya, einmal eingebettet in die heutigen Grenzen der Ukraine, dann noch mit den Daten der Eroberung durch das Russische Reich:



Und hier die beiden serbischen Regionen, vor dem Hintergrund der heutigen Ukraine:


Novorossia existierte als Gouvernement bis 1873, als es in kleinere administrative Einheiten zerteilt wurden, die zusammengefasst noch bis 1922 als Novorossia bezeichnet wurden. Im Rahmen ihrer Korenizatsiya-Politik bekämpften die Bolsheviki diesen Begriff nach 1922 und sprachen neutral von "nördlicher Schwarzmeer-Region", was bis heute in Russland der eigentlich korrekte Begriff ist, während sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Ukraine die Begriffe "Südukraine", bzw. "Südost-Ukraine" etablierten.
Der Begriff Novorossiya war in beiden Ländern außerhalb historischer Abhandlungen nicht anzutreffen. Nach der Orangenen Revolution, in Reaktion auf Jushenkos Ukrainisierungs-Politik, gab es dann ab 2005 eine Renaissance des Begriffs, und spätestens seit März 2014 ist er in der Ukraine allseits bekannt, seit kurzem nun auch weltweit...

Nochmal zur Geschichte von Novorossia: Mit dem Ende des zaristischen Russland gründete sich die Ukrainische Volksrepublik (Hauptstadt Kiev) und erhob Anspruch auf diese Region. Lokal gründeten sich jedoch die "Odessiter Sowjetrepublik" und die "Sowjetrepublik Donezk-Krivoi Rog" (auf die sich auch die heutigen Rebellen beziehen), die mit der UVR nichts zu tun haben wollten, und sich zur "Ukrainischen Sowjetrepublik" (Hauptstadt Kharkov) zusammenschlossen, die mit der UVR Krieg führte... Das ist eine wirre, komplexe, und bis heute umstritten gedeutete Zeit: Russischer Bürgerkrieg, Ukrainischer Unabhängigkeitskrieg, Sowietisch-Ukrainischer Krieg, Frieden von Brest-Litovsk, Rote Armee, Weiße Armee, Makhnovshina, Oblast Novorossia (Gebiet der Odessiter Sowjetrepublik, jedoch in der Hand der Weißen) sind Begriffe, die man in diesem Zusammenhang zumindest oberflächlich kennen sollte...


Im Ergebnis dieser wirren Zeit steht, dass die Rote Armee gewann, die Bolsheviki 1922 die Ukrainische Sowjetrepublik schufen, mit der Hauptstadt in Kharkov (bis 1934, danach Kiev), und bis 1931 die sogenannte Korenizatsiya-Politik betrieben, welche regionale Elemente stärken, und russischen Einfluss zurückdrängen sollte. Im Gebiet der Ukraine bedeutete dies eine gezielte Ukrainisierung der Bevölkerung. Ab Ende der 30er kam es dann zu einer Russifizierung - aber auch all das ist komplex und umstritten und wird verschieden gedeutet... Vielleicht mach ich demnächst mal einen Eintrag zu den Sprachen Russisch, Ukrainisch und Surzhyk.

 
Egal. Wie gesagt ist Novorossia wieder in "aller Munde", und das folgende Bild beschreibt den heutigen Begriff Novorossia, das ist es, worauf Teile der "pro-russischen" Aktivisten Anspruch erheben:


Die Rebellen kämpfen mit der Waffe für die Etablierung der beiden Volksrepubliken DNR und LNR, beide sollen den Kern bilden des Staates "Föderation Novorossiya" - welcher sich auch andere Volksrepubliken anschließen können, wie ausdrücklich betont wurde.
Die zivilen "pro-russischen" Gruppen kämpfen dementsprechend in den anderen Oblasten für einen Anschluss an die beiden VR's, in erster Linie mit Propaganda. Ich hatte ja schon mehrmals deren illegale Zeitung "Novorossia" erwähnt, hier ein Bild dieser Zeitung mit eben dieser obigen Abbildung des von ihnen beanspruchten Gebiets:


Soviel für heute dazu. Ich schreib demnächst noch was zum Thema...

Wenn ihr den Neurussen bei Twitter folgen wollt: https://twitter.com/hashtag/novorossiya
- und hier Graham Philips, der die Rebellen als Journalist für RT begleitet https://twitter.com/GrahamWP_UK/
- sein youtube-Kanal: https://www.youtube.com/user/gwplondon



Rebellen

Müsste ja mittlerweile jede und jeder mitgekriegt haben, dass die Rebellen in der Offensive sind, einiges an Territorium wiedererobert, und große Teile der ukrainischen Streitkräfte eingekesselt haben. Diese Kessel dienen ihnen als Hauptquelle für Armee-Technik, Waffen und Munition, selbst ukrainische Medien geben mittlerweile die Berichte der Rebellen über erbeutete Technik wieder:
korrespondent.net/ukraine/events/3413142-separatysty-pokazaly-unychtozhennuui-tekhnyku-y-ostavlennye-boeprypasy

Dazu dann die aktuellen Karten. Zunächst die der Rebellen (vollfarbig = unter Kontrolle, schraffiert = Aktivitäten laufen)


und hier die Kiever Version. Die beiden Gebiete sind nicht mehr getrennt, Flughafen von Lugansk in Rebellenhand, und Ausweitung derer Aktivitäten sind eingezeichnet.



Wie bekannt, erklärt Kiev die Erfolge der Rebellen mit direkter Unterstützung aus Russland, der heutige NATO-Gipfel in Wales ist großes Thema in den ukrainischen Medien - aber da auch unsere Medien voll davon sind, weiß ich nicht, was ich da viel noch zu sagen könnte...

Hier übrigens die letzte Pressekonferenz, wo sich Premier- und Verteidigungsminister der DNR zu ihrer Offensive äußern, und auch allgemein, zur Lage, zu Kiev, Föderalisierung, Donbass, u.a.
- die sollte man schon gesehen haben, ist eine ziemlich ausführliche Stellungnahme. Deutsch untertitelt (und auch Englisch, Französisch, Koreanisch)



Und hier, ein weiteres Video von diesem Zakharchenko, wie er gefangengenommene Soldaten verabschiedet und nach Hause schickt. Durchaus sehenswert...


Was die Karten angeht, bei http://mediarnbo.org/ findet ihr die offizielle Darstellung (rechts den Link suchen, der mit "СИТУАЦІЯ НА СХОДІ УКРАЇНИ" beginnt), und bei http://kot-ivanov.livejournal.com/ findet ihr die Version der Rebellen.



Ganz aktuell: Es heißt, die Rebellen würden Mariupol attackieren - bzw. die Russen, je nach Version. In den ukrainischen Medien wird das ATO-Center zitiert, dass russische Einheiten Mariupol angreifen würden, mit Artillerie-Unterstützung direkt aus Russland...
http://korrespondent.net/ukraine/3414517-rossyiskaia-artylleryia-obstreliala-sylovykov-vozle-maryupolia-shtab-ato
(mit englisch-sprachigem Video von Sky-News)

Das Azov-Bataillon ist massiv in Bedrängnis, hat Verluste zu vermelden
http://korrespondent.net/ukraine/3414537-vozle-novoazovska-unychtozhen-ukrepraion-syl-ato-batalon-azov

Hier Kurzmeldungen dazu von den Rebellen:
http://rusvesna.su/news/1409831616
http://rusvesna.su/news/1409836113