Donnerstag, 7. August 2014

4.8: 2. Mai und Ani Lorak in Odessa



Heute mal nur Odessa, weil vorgestern und gestern einige interessante Artikel im Timer waren, zu den Ereignissen vom 2. Mai, und es gestern zu Auseinandersetzungen gekommen ist wegen des Konzerts einer Pop-Diva, was Ukraine-weit für Schlagzeilen gesorgt hat
http://korrespondent.net/ukraine/3401394-v-odesse-pyketyruuit-uvd-yz-za-razghona-aktsyy-na-kontserte-any-lorak
http://www.segodnya.ua/culture/stars/skandal-na-koncerte-ani-lorak-v-odesse-vse-podrobnosti--541868.html
http://vesti.ua/kultura/63921-v-odesse-sorvali-koncert-ani-lorak
http://112.ua/obshchestvo/v-odesse-miliciya-razognala-akciyu-protesta-protiv-koncerta-ani-lorak-96424.html


Aber zunächst zu den Ereignissen in Odessa am 2. Mai, die wegen des dreimonatigen "Jubiläums" Thema waren (in chronologischer Reihenfolge ihrer Veröffentlichung auf timer.od.ua):

Der Regionalabgeordnete und Chef der Odessiter Borotba, Alexey Albu, hat eine Erklärung veröffentlichen lassen, wo er anprangert, dass drei Monate nach den Ereignissen noch immer nicht die Organisatoren verhaftet wurden, und dass die zuständigen Organe anscheinend auf Zeit setzten, in der Hoffnung, alles werde einfach als "Tragödie" akzeptiert. Dem setzt er entgegen "Glaubt nicht, dass wir vergessen werden!" (so auch der Titel seiner Erklärung)
http://timer.od.ua/minds/aleksey_albu_ne_dumayte_chto_mi_zabili_594.html
- er schließt mit den Worten, dass diese Regierung sich nicht lange halten wird, und dass dann die, die "uns unsere Liebsten genommen haben, sich ihrer Verantwortung werden stellen müssen."

Timer-Autor Jurij Tkatchjov schreibt ähnlich in seinem "Verbrechen ohne Strafe?". Er ist Teil der von Gouverneur Palitsa initiierten Journalisten-Kommission "Gruppe 2. Mai", und er unterstreicht, dass diese Kommission in ihren Untersuchungen einige der Organisatoren dieser Zusammenstöße eindeutig identifizieren konnte, auf beiden Seiten, sowohl Euromaidaner als auch Anti-Maidaner, und kritisiert dass nur Letztere strafrechtlich verfolgt werden.
http://timer.od.ua/statji/tragediya_2_maya_prestuplenie_bez_nakazaniya_740.html

Bezug nehmend auf die Beschwerde des die Untersuchungen begleitenden UNO-Mitarbeiters, dass Innenministerium (MVD) und Geheimdienst (SBU) bei der Aufklärung nicht kooperieren
http://timer.od.ua/news/oon_sledstvie_po_sobitiyam_2_maya_v_odesse_zatyagivaetsya_504.html
schreibt der Kopf einer lokalen NGO, dass es ein Skandal sei, dass wiederholt hohe Beamte Informationen verbreitet haben, die sich im Nachhinein als unwahr herausgestellt haben. Auch sei diese Journalisten-Kommission letztlich nichts weiter als ein Witz des Gouverneurs, da sie zwar so gut wie alles machen darf, aber die staatlichen Organe MVD, SBU und Staatsanwaltschaft nicht mit ihr zusammenzuarbeiten. "Was ist das für eine Untersuchung?!"
http://timer.od.ua/news/mnenie_odessiti_doljni_potrebovat_otstavki_vinovnih_v_sabotaje_rassledovaniya_mayskoy_boyni_871.html

Vladislav Balinskiy, Chemiker, der der Journalisten-Kommission "Gruppe 2. Mai" als Experte auf diesem Gebiet zur Seite steht, formuliert einige Thesen darüber, wie es aus seiner Sicht zu diesem verheerenden Brand im Gewerkschaftshaus gekommen ist. Es meint ein Zusammenspiel von mehreren unglücklichen Faktoren zu erkennen, weder geplant noch vorhersehbar, von keiner der beiden Seiten, für die trotzdem beide gleichermaßen Verantwortung tragen.
http://timer.od.ua/minds/vladislav_balinskiy_tezisno_o_pojare_v_dome_profsoyuzov_192.html
- das will ich inhaltlich etwas ausführlicher wiedergeben:

Er betont eingangs, dass ein Teil der Aktivisten des Anti-Maidans am Gew-Haus sehr wohl mit verantwortlich für die Situation war, da sie sich nachweislich auf diese Zusammenstöße vorbereitet hatten. Das Haus war ensprechend verbarrikadiert, es waren Übernachtungsmöglichkeiten eingerichtet, und diese Aktivisten hatten im Haus Waffen gebunkert, sowohl Schusswaffen als auch Molotow-Cocktails, die sie einsetzten (Videos und Fotos dazu im Artikel) als die Euro-Maidaner auf sie zustürmten. Man müsse dabei mitbedenken, dass die Euromaidaner nicht wissen konnten, dass die Mehrheit im Haus unbewaffnet war, sie kannten die Situation im Haus nicht, sahen aber, dass sie beworfen und beschossen wurden und reagierten entsprechend aggressiv. Zudem hätten diese Anti-Maidaner den Platz evakuieren können, als klar war, dass die Euromaidaner angreifen wollen (die Meldung verbreitete sich über Mobiltelefone), stattdessen jedoch haben sie gezielt die unbewaffneten Leute mit ins Haus gelenkt (er spricht von etwa 50 dieser Aktivisten unter insgesamt 400 Leuten).

Als das Foyer im Erdgeschoss anfing zu brennen (vor allem die Barrikaden-Materialien dort), war das zunächst ein lokal begrenztes, sehr heißes (ca. 800°C) Feuer. Dessen Hitze erreichte im angrenzenden Treppenhaus und in den Fluren verschiedene Materialien, welche Gase und Ausdünstungen freisetzten, die sich ausbreiteten. Diese Dunst-/Gaswolke war brennbar und entzündete sich, setzte dabei das gesamte Treppenhaus in Flammen, und die dortigen Menschen (darunter auch diese Aktivisten) hatten keine Möglichkeit zu reagieren, sie waren urplötzlich im Zentrum eines Feuers von etwa 700°C, in offener Flamme, und wer nicht springen konnte, kam darin um.
- das sind wie gesagt Thesen dieses Chemikers, es gibt noch kein abschließendes Untersuchungsergebnis.

Hier ein Video dazu, die ausgebrannte Plattform zwischen der 2. und 3. Etage, von wo Leute aus den Fenstern gesprungen sind - und nur zwanzig Schritte entfernt: alles unberührt, da hätte ihnen nichts passieren können.
https://www.youtube.com/watch?v=WD6Cnrkqw40#t=48 (sind nur 20 Sekunden zu schauen, braucht kein Russisch dafür, aber es verdeutlicht das zuvor Geschriebene)



DAS KONZERT

Gestern Abend fand in Odessa, im Club "Ibiza", ein Konzert der berühmten ukrainischen Sängerin Ani Lorak statt, welches Aktivisten des Euromaidan verhindern wollten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ani_Lorak

Ani Lorak werden "enge kreative Bindungen an Russland" vorgeworfen, Aktivisten echauffierten sich auch an ihren Plänen, auf der Krim zu touren, sie unterstütze angeblich die Okkupation, die Terroristen, überhaupt zeige sie "anti-ukrainisches, unpatriotisches Verhalten", es gibt also einiges auszusetzen... Schon vor Tagen war von angekündigten Protesten berichtet worden, und von Plakatier-Aktionen, wo ihre Plakate überklebt wurden mit "Schande! Kujek - für Verdränger"
http://korrespondent.net/ukraine/politics/3398757-protyvnyky-any-lorak-obkleyly-odessu-nadpysiamy-kuek-za-buek
- Anspielung auf ihren bürgerlichen Namen Karolina Kujek. Ihr Künstlername Ani Lorak ist ihr Vorname rückwärts, also eigentlich ohne große politische Bedeutung...

Hier werden Bilder von ihr und anderen populären Künstlern von Aktivist_innen des Rechten Sektors und Svoboda mit faulen Tomaten beschmissen
http://korrespondent.net/ukraine/politics/3398340-portrety-any-lorak-povalyi-potapa-y-nasty-v-odesse-zabrosaly-hnylui

Es handelt sich um folgende ukrainische Musiker_innen, die sich alle irgendwie "unpatriotisch" verhalten haben (Einzelheiten im Link zuvor, unter dem Video):
- Potap und Nastya Kamenskih https://www.youtube.com/watch?v=FZgdOWw8K6c
hier zudem eine Kooperation Letzterer mit einem bekannten russichen Sänger ( http://de.wikipedia.org/wiki/Grigori_Leps )
https://www.youtube.com/watch?v=PDm9HfLCagM

Das ging eine Weile so, diese Mobilisierungen gegen ihr Konzert gestern, und als Reaktion haben sich Ani Lorak und der Club Ibiza mit einigen der Aktivisten geeinigt:
Diese Aktivisten berichteten, dass "Ibiza" seine "soziale und patriotische Verantwortung erkannt" habe, und angemessene materielle Hilfe zum Wohle der ATO bezahlen werde. Ebenso wird Ani Lorak 50% ihres Honorars für eben diese Zwecke zur Verfügung stellen. Die Aktivist_innen würden den Club nicht wie angekündigt blockieren.
http://timer.od.ua/news/vzyali_den_gami_evromaydanovtsi_otkazalis_ot_travli_ani_lorak_807.html
http://112.ua/obshchestvo/raskachivanie-situacii-v-odesse-ne-prekraschalos-oga-96504.html

Der letztere Link ist von heute, der das wieder aufgreift, weil nämlich - die radikaleren Euromaidaner à la Rechter Sektor und Svoboda mit dieser Einigung nicht einverstanden waren, sie empfanden das als "Käuflichkeit", und zogen die angekündigte Blockade trotzdem durch. Was zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei führte.
http://timer.od.ua/news/odessa_evromaydanovtsi_srivayut_kontsert_ani_lorak_627.html

Etwa 100 Nationalisten versammelten sich vor dem Eingang zum Club, um diesen zu blockieren. Sie sangen dabei die ukrainische Nationalhymne, skandierten die bekannten "Ukraine über alles", "Ruhm der Nation, Tod den Feinden", "Moskalei na nozhi (Russkis auf die Messer)", "Wer nicht springt ist ein Moskal", usw.



Die Polizei sichert den Eingang, die Besucher_innen können also aufs Konzert, welches um 22 uhr beginnen soll. Gegen 21:20 ist die Zahl der Gegner auf etwa 200 angewachsen, und sie versuchen, über den Strand den Club zu stürmen, was die Polizei verhindern kann, weil Einheiten dieses Manöver frühzeitig erkennen und sich in den Weg stellen. Um kurz nach zehn gibt es den Versuch, trotzdem den Klub zu stürmen, und es kommt zur Schlägerei zwischen den Aktivisten und der Polizei - letztes Video in dem Link, oder hier



Die Nationalisten werden vertrieben, und mobilisieren daraufhin neu, um besser bewaffnet auf die Bullen loszugehen. Gegen Mitternacht stehen etwa 70 Entschlossene mindestens dreimal so viel Bullen gegenüber und ziehen sich letztlich zurück.

Der Rechte Sektor beschwert sich natürlich darüber, dass die Polizisten "friedliche Protestierende" geschlagen haben, und sie noch dazu als "Ukry" und "Bandery" beschimpft hätten - so bezeichnen die Rebellen die ukrainischen Streitkräfte!
http://timer.od.ua/news/odesskiy_praviy_sektor_241.html

Innenminister Avakov hat angekündigt, eine interne Untersuchung einzuleiten. Wer "seine Befugnisse überschritten oder unverhältnissmäßig hart" vorgegangen ist, solle bestraft werden. Es gebe die Videos, man könne die Beamten klar identifizieren
http://112.ua/politika/avakov-poruchil-provesti-sluzhebnoe-rassledovanie-i-nakazat-vinovnyh-v-razgone-akcii-v-odesse-96515.html
http://timer.od.ua/news/v_mvd_poobeschali_provesti_slujebnoe_rassledovanie_kasatel_no_besporyadkov_v_arkadii_242.html
- im letzteren Link ist auch die Reaktion der odessiter Polizei, die betont, dass sie im Rahmen des Rechtlichen das Hausrecht des Clubs gegen Eindringlinge durchgesetzt habe, und dass auf den Videos ebenso zu sehen ist, dass die Aktivisten "nicht mit leeren Händen" waren.

Hier Eindrücke von den heutigen Protesten gegen die Polizeigewalt, vor dem Hauptgebäude der Polizei
http://timer.od.ua/news/odessa_evromaydanovtsi_poprotestovali_pod_mvd_potrebovali_lyustratsii_i_speli_moskaley_na_noji_652.html


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Auch gestern, aber tagsüber, gab es eine Aktion des Anti-Maidan, eine flash-mob-Inszenierung auf dem Kulikovo Pole vor dem Gewerkschaftshaus gegen den Krieg im Donbass, und in Solidarität mit der Donbasser Bevölkerung

 
Viele Links zu dieser Aktion funktionieren nicht, wegen der Musik, die sie währenddessen laufen lassen (GEMA), und anscheinend störte die Musik auch die Polizei, weiß nicht warum, aber sie versuchten im Anschluss, die Lautsprecher zu beschlagnahmen, samt Wagen und Halter der sie angekarrt hat, was von den Aktivist_innen jedoch verhindert werden konnte
http://timer.od.ua/news/na_kulikovom_pole_proizoshli_stolknoveniya_mejdu_aktivistami_i_militsiey_257.html



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