Donnerstag, 7. August 2014

6.8: Kämpfe(r), Journalisten, Energiesparen

Der nahende Winter beschäftigt die Energieversorger und überhaupt alle Ukrainer_innen, dazu weiter unten ausführlicher am Beispiel Kievs.

Die Menschen im Donbass jedoch werden bei geborstenen Fenstern und sonstwie zerstörter Infrastruktur so richtig Probleme haben, über den Winter zu kommen - was derzeit kein Thema ist, über den Donbass gibt es so gut wie nur Berichte im Zusammenhang mit den dortigen Gefechten.

In einigen Gebieten ist menschenwürdiges Überwintern wohl nicht mehr möglich, gerade in den urbanisierten Gegenden, wo es Kämpfe gab und gibt.

Besonders kritisch ist die Lage zurzeit in der Stadt Lugansk, die Stadtadministration spricht von einer "humanitären Katastrophe". Es gibt kein Strom, kein Wasser, Funknetze und Internet funktionieren nicht, Müllabfuhr ist eingestellt, und vier Krankenhäuser und drei Polikliniken arbeiten nicht mehr.
http://korrespondent.net/ukraine/events/3401686-v-luhanske-humanytarnaia-katastrofa-horsovet

In diesem Link habt ihr zudem beide aktuellen Karten der angeblichen Situation,

zuerst die vom SNBU,



die zweite ist von den Rebellen.



Offiziell heißt es, das Gebiet um Donezk sei vom Rest abgespalten worden; die Rebellen bestätigen zwar heftige Gefechte, die Gebiete seien jedoch weiterhin vereint (in der Mitte dieses "Korridors" etwa liegt die Absturzstelle der Boeing). Der südliche Kessel wird offiziell als in den Händen der Ukr.Armee gezeigt, laut den Rebellen kontrollieren sie dieses Gebiet (wo die Sodaten eingekesselt sind, ich berichtete). Der ATO-Stab spricht von Stellungskampf, die Rebellen von Gegenoffensive, erfolgreich verteidigten Angriffen auf einige Städte, Rückeroberung von Maryinki im Westen von Donezk, und mehreren eingeschlossenen und isolierten Kiever Truppen an zentralen Punkten.
- das war die Situation gestern (Zusammenfassung vom Timer). Das folgende ist von heute.

Nachdem heute Morgen Berichte über den nächtlichen Einsatz von Kampfjets über Donezk noch bestritten wurden - mit der Betonung darauf, dass man bewohnte Gebiete nicht bombardiere, dass die Einwohner_innen wohl Aufklärungsflugzeuge für Kampfjets hielten, und dass die Explosionen in der Stadt mit Artillerie-Einsatz von seiten der Rebellen zu erklären sind
http://korrespondent.net/ukraine/3402245-ukraynskaia-avyatsyia-ne-nanosyla-udarov-po-donetsku-snbo
- wird heute Abend von massivem Einsatz tieffliegender Jäger und heftigen Explosionen in der ganzen Stadt gesprochen.
http://korrespondent.net/ukraine/politics/3402409-po-vsemu-donetsku-slyshny-vzryvy



Die Experten, welche die Flugzeug-Katastrophe untersuchen, haben sich heute aus dem Gebiet zurückgezogen, weil in der Gegend geschossen wurde. Geschossen haben laut Kiev die Separatisten, weil die ukrainischen Streitkräfte bekanntlich keine Operationen in einem Radius von 20 km durchführen und den Experten einen zehn km Korridor garantieren.
http://korrespondent.net/ukraine/3402382-hruppa-mezhdunarodnykh-ekspertov-pokynula-mesto-krushenyia-boynha-yz-za-strelby
- in den Kommentaren wird das durchaus in Frage gestellt, und eine/r schreibt "aaaaa, ich verstehe! die Experten beschießen sich selbst!"


Ich hatte ja schon von ukrainischen Soldaten berichtet, die nach Russland geflohen sind, weil ihre Lage aussichtslos war. Auch, dass verwundete ukrainische Soldaten in Russland medizinisch behandelt werden, und dass sie bei der Rückkehr der Fahnenflucht verdächtigt wurden. Solche Nachrichten gab es die Tage wieder.

Am 3.8. floh eine nicht näher genannte Anzahl von ukrainischen Soldaten der 72. Brigade auf russisches Territorium. Wie es heißt, weil sie keine Patronen mehr hatten um weiterzukämpfen
http://korrespondent.net/ukraine/3401171-ukraynskye-voennye-yz-72-y-bryhady-otstupyly-na-terrytoryui-rf

Am 4.8. berichtete der russische FSB von 438 ukrainischen Soldaten, darunter 164 Grenzschützer, die sich an russische Grenzschützer wandten, mit der Bitte um Aufnahme
http://korrespondent.net/ukraine/events/3401190-bolee-400-ukraynskykh-voennykh-poprosyly-ubezhyscha-v-rossyy-fsb

Heute gibt's die Nachricht, dass 200 Soldaten wieder in die Ukraine gebracht wurden
http://korrespondent.net/world/russia/3402369-rossyiskye-pohranychnyky-zaiavliauit-o-peredache-ukrayne-esche-200-ukraynskykh-voennykh
- und 245 ukrainische Soldaten sich weiterhin in der RF befinden, darunter 50 Offiziere. Das ukrainische Innenministerium betont, dass alle zurück in die Heimat wollen und Russland sie nicht daran hindern solle. "Wir rufen die russische Führung auf, dies nicht hinauszuzögern, und keine Provokationen zu veranstalten."
http://korrespondent.net/ukraine/politics/3402347-v-rossyy-ostaetsia-245-ukraynskykh-voennykh



Journalisten

Es gibt immer wieder Meldungen über entführte, verwundete oder getötete Journalisten im Gebiet der ATO. In der Regel wird das den Rebellen zugeschrieben
http://korrespondent.net/ukraine/3397931-v-zone-ato-tiazhelo-ranena-korrespondent-espreso-TV

Heute Vormittag um 11:08 brachte UNN die Meldung, dass drei entführte Journalisten wieder frei seien, die Terroristen hätten sie im Abstand von je fünf Kilometern nur halb bekleidet einfach aus dem Wagen geschmissen, aber es gehe ihnen gut. UNN erinnert daran, dass am 1.8. drei Journalisten entführt wurden, einer davon Mitarbeiter bei 112.ua
http://www.unn.com.ua/uk/news/1372805-troye-zhurnalistiv-vikradenikh-teroristami-znayshlisya
- das ist die Original-Meldung, auf Ukrainisch, hier kurz zusammengefasst aus Dnepro-Petrovsk auf Russisch:
http://www.056.ua/article/592105

Nur eine Stunde später meldet sich der Journalist Roman Gnatyuk von 112.ua bei seinem Sender und wird life am Telefon zugeschaltet
http://112.ua/glavnye-novosti/zhurnalist-112-ukraina-roman-gnatyuk-vyshel-na-svyaz-97673.html (inkl. Videoaufzeichnung)
- er berichtet, dass er sich mit zwei anderen am ersten August entführten Journalisten in den Händen der 40. Brigade der Territorialverteidigung befand, dem Bataillon "Krivbass".

Sie wurden während einer Kontrolle an einem Kontrollposten festgehalten, verbrachten dort die Nacht, und wurden ab dem nächsten Tag wie Gefangene behandelt: durften ihre Redaktionen nicht anrufen, wurden mit der Waffe bedroht, ausgefragt, erniedrigt, gefesselt und Augen verbunden, nach Mariupol gebracht, in den Stab der ATO, wieder woanders hin, unbekannt, drei Tage in einer Kammer, mit zwei anderen, offensichtlich Misshandelten, ihnen wurde die Kleidung zerschnitten, wieder ins Auto, irgendwo hin, mitten ins Nichts, nachts, er als erster raus, ein paar Schritte weg, zwei Schüsse in die Luft, "wahrscheinlich damit die anderen denken, sie hätten mich erschossen", drei Stunden lief er bis er auf ein Dorf stieß, wo sie ihn einkleideten, zu essen gaben, und von wo aus er den Anruf tätigt.

Der Pressesprecher des Bataillons Krivbass erklärte dazu auf seiner facebook-Seite: Zunächst habe etwas mit dem Pass des einen nicht gestimmt, dann wurden beim Sichten verdächtige Aufnahmen festgestellt, unter anderem ein Interview mit Strelkov, Trunkenheit in der ukr.Armee, von ukr.Armee zerstörte Wohnhäuser, und so weiter. Und weist jegliche Misshandlungen von sich, "derartige Anschuldigungen sind ausgedacht und haltlos".
http://korrespondent.net/ukraine/politics/3402397-propavshyi-v-zone-ato-ukraynskyi-zhurnalyst-obvynyl-v-pokhyschenyy-batalon-kryvbass
- 112.ua betont zudem, dass Gnatyuk der einzige von der DNR akkreditierte ukrainische Journalist ist (von Kiev natürlich ebenfalls akkreditiert).


Dieses Bataillon Krivbass hat vorgestern übrigens gemeldet, dass sie einen Selbsmordattentäter der Rebellen ausgeschaltet haben, welcher mit einem Kleinbuss voller Sprengstoff auf ihren Kontrollposten zugerast kam. Sie fanden einiges an Sprengstoff im Wagen und separatistische Symbole - geht auf den Link, und guckt euch die Bilder an, fünf Stück
http://korrespondent.net/ukraine/3401177-batalon-kryvbass-unychtozhyl-smertnyka-na-mykroavtobuse

Heute stellte sich heraus, dass sie einen Mann erschossen haben, der schon seit längerem und regelmäßig Flüchtlinge aus der Zone der ATO herausfährt und nicht bewaffnet war.

Alle diese Bataillone haben Profile in sozialen Netzwerken, die sich durchaus großer Beliebtheit erfreuen, man kann im Grunde von Fan-Clubs sprechen. Welche die Bataillone natürlich mit gewissen Aktionen hin und wieder zu erfreuen suchen. So filmen Mitglieder des Bataillons Aidar für ihre Fans, wie sie in Shastie das Lenin-Denkmal abmoniteren (auf dem Wagen vorne steht "Putin Khuilo = Putin Arschloch")
http://korrespondent.net/ukraine/3401894-batalon-aidar-snes-pamiatnyk-lenynu-v-horode-schaste



KIEV

Wie schon erwähnt, steigen die kommunalen Kosten. So wurde in Kiev Kaltwasser zum ersten Juli um 110% teurer
http://korrespondent.net/kyiv/3383122-kholodnaia-voda-dlia-kyevlian-podorozhaet-srazu-na-110

Und nachdem am 16.6. Gasprom die Gas-Lieferungen in die Ukraine eingestellt hat, wurden parallel zu den steigenden Tarifen auch Limits für den Verbrauch von Warmwasser gesetzt, um für den nahenden Winter zu sparen. So waren am 24.6. 700 Häuser in zwei Stadtteilen ohne Warmwasser
http://korrespondent.net/kyiv/3382480-kyevenerho-otkluichaet-ot-horiacheho-vodosnabzhenyia-bolee-700-domov-v-dvukh-raionakh-stolytsy

Das Verbrauchslimit wurde immer weiter herunter gesetzt, so dass am 10.7. etwa die Hälfte aller Häuser in Kiev ohne Warmwasser waren. An diesem Tag wurden zudem noch niedrigere Limits festgelegt (in Kharkov wurde das Limit gar auf Null runtergefahren)
http://korrespondent.net/ukraine/3390736-voda-bez-haza-v-kyeve-y-kharkove-horiachaia-voda-stanet-defytsytom

Am 25.7. hatten in Kiev über 80% aller Verbraucher kein Warmwasser zur Verfügung, und der Kiever Energieversorger ankündigte, dass die Warmwasserversorgung komplett eingestellt werden könnte
http://korrespondent.net/ukraine/3397229-v-kyeve-mohut-polnostui-otkluichyt-horiachuui-vodu-kyevenerho

Mittlerweile haben nur noch eine Handvoll Häuser Warmwasser. Auch wurden weitere Pläne der Vorbereitungen auf den Winter veröffentlicht, verschiedene technische Lösungen (Isolierungen, Abklemmen unnötiger Verbraucher) und Verhaltensmaßnahmen der Einwohner werden thematisiert, auch dass der Stromverbrauch enorm ansteigen wird, wegen elektrischen Heizern.
http://korrespondent.net/kyiv/3402227-v-meryy-rasskazaly-kak-kyev-hotovytsia-k-zyme
- das gesamte verbliebene Limit des Gasverbrauchs wird für den Betrieb eines Elektrizitätswerks verwendet, und lediglich dessen Abwärme beheizt das Wasser ein paar weniger Häuser, die zufällig daran angeschlossen sind.

Vorgestern rief Bürgermeister Klitschko die Kiever_innen auf, sich Boiler zu besorgen und diese zu installieren, und regte an, dass diejenigen, die ein Eigenheim haben, sich auf feste Brennstoffe umstellen
http://korrespondent.net/kyiv/3401310-klychko-pryzval-kyevlian-ustanavlyvat-boilery


Abschließend noch drei Videos, kurz und prägnant.
 
Ukrainischer Ex-General in einer der bekanntesten Talk-Shows der Ukraine (3:30 min)



Auch wenn die Untertitel etwas missglückt sind  -  sehens-, oder besser gesagt: hörenswert (1:20)



Und hier noch die wütende Ehefrau eines in der 72. Brigade eingesetzten Soldaten im Streit mit Gegnern der Mobilisierung





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